Libertäre Tanzdemo für Selbstorga (2.6)

Teil des Demokollektives 07.06.2012 14:18 Themen: Antifa Antirassismus Freiräume Kultur Soziale Kämpfe

Bericht des Demokollektivs zur Politischen Tanzdemonstration "Liberté dans les rues et sur les toits"


Am Samstag den 2. Juni tanzten ca. 200 Menschen unter dem Titel „Liberté dans les rues et sur les toits“ durch Dresden. Die Organisator_innen, ein frisch gegründetes Demokollektiv, Teil des Libertären Netzwerks Dresden, wollten mit der Demonstration eine öffentliche Kulturveranstaltung für libertäre Organisationsmodelle und Wirtschaftsweisen schaffen. Dies drückte sich auch in einer Reihe von inhaltlichen Beiträgen während des knapp 5-stündigen Umzugs durch Neustadt, Friedrichstadt und Löbtau aus.

Plakat, Flyer vorne und hinten, Aufruf, Presse, Bilder, Redebeiträge, Beiträge im Vorfeld, Diskussionsbeitrag im Nachgang

Trotz wenigen Leuten gute Stimmung

Zur Demonstration erschienen 3 Lautsprecherwagen (90er-Trash, Punk/Hardcore, Minimal/Elektro) und zwischen 200-250 Teilnehmende. Die geringe Teilnehmer_innenzahl ist vermutlich vor allem der nur stadtweiten Werbung, dem am gleichen Tag stattfindenden CSD-Umzug, der recht radikalen politischen Ausrichtung und dem allgemeinen politischen Klima in der Stadt zu zu schreiben.

Die Polizei war mit ca. 30 Mannschaftswagen (180 Beamt_innen) anwesend. Noch vor dem Beginn der Veranstaltung begann sie Personalien und Rucksäcke von alternativ aussehenden Menschen zu kontrollieren. Im Verlauf der Demonstration übte sie immer wieder wegen Verdacht auf Verstoß gegen die Versammlungsauflagen Druck auf Teilnehmer_innen und die Anmelderin aus. Später gab der Polizeisprecher gegenüber der DNN noch an, die Musik wäre für die Beamt_innen „schwer zu ertragen“ gewesen. Freut uns.

Auf der Demonstration selbst gab es eine breite, inhaltliche Auseinandersetzung mit Selbstorganisation und konkreten Projekten. Der Umsonstladen (mit Feature + Redebeitrag), das Hausprojekt Robert-Matzke-Str. 16 und die Kampagne 129 e.V. stellten sich vor. Das Hausprojekt Praxis berichtete ausführliche über Repression und die aktuelle Lage des Projekts. Die Basisgewerkschaft Allgemeines Syndikat Dresden (FAU IAA) & (FdA IFA) appellierte mit einem kabarettistischen Auftritt für mehr Kommunikation, Entschlossenheit und gemeinsame Organisation gegen die widrigen Verhältnisse im Kapitalismus. Eine Person von ColoRadio berichtete von den Steinen, die dem Projekt in den Weg gelegt werden und ermunterte Leute sich einzubringen. Ein mit Musik unterlegter Adorno-Vortrag beschäftigte sich mit dem Freizeitbegriff, der Freizeitindustrie und dem Verhältnis von Kapital und sinnentleerten Entspannungsaktivitäten. Die Undogmatische Radikale Antifa rief zur Blockade des Naziaufmarschs am 17. Juni in Dresden und das Netzwerk Asyl, Migration und Flucht zur Beteiligung an der sachsenweit mobilisierten Demo „Wohnungen statt Heime“ am 21.06. um 15:30 Uhr am Albertplatz auf. Eine Auseinandersetzung mit Kapitalismus und Utopie kam vom Minimal-Wagen. Die insgesamt elf Beiträge wurden von den Teilnehmenden erfreut und interessiert aufgenommen obwohl in der Vorbereitungsphase durchaus in Frage gestellt wurde, ob dies bei einer Tanzveranstaltung der Fall sein würde.

Während der Demonstration, die leicht abgekürzt, von der Tannenstraße über Königsbrücker Str., Bhf Neustadt, Marienbrücke, Bhf. Mitte, Behringstraße bis zur Columbusstraße verlief schlossen sich immer wieder spontan Menschen an. Ein Mensch mittleren Alters war am Bhf Mitte beispielsweise so begeistert von einem der Redebeiträge, dass er auf seine Bitte hin den Rest der Strecke auf einem der Lautsprecherwagen mit fuhr. An der Schäferstraße schloss sich spontan eine größere Gruppe aus einer der Plattenbauten an, augenscheinlich angezogen von der Musik des 90er-Trash-Wagens.

Bis auf einen Unfall verlief der Umzug ohne Zwischenfälle. Auf der Konigsbrücker Straße fiel einem der DJs eine Betonplatte, die zur Beschwerung des Plattenspielertisches genutzt wurde, auf den Fuß. Der Mensch erhielt schnell kompetente Hilfe durch die anwesenden Demosanitäter_innen. Wir wünschen an dieser Stelle gute Besserung.

In Nord-Löbtau wurde die Demo durch mehrere Transparente aus verschiedenen Wohnprojekten begrüßt und einige Nachbar_innen gesellten sich dazu. Hier wies die Demomoderation noch kurz auf den selbstverwalteten Nachbar_innengarten und auf das kapitalismuskritische Columbus/Wernerstraßenfest am 23.06.12 hin. Nach 4 ½ Stunden war die Tanzdemo damit am Ende der Route angelangt. Zwischen Polizei und Anmelderin wurde darauf hin ausgehandelt die Demonstration aufzulösen, vor Ort jedoch noch bis 22 Uhr Musik machen zu können. Nach der offiziellen Auflösung zogen die 180 Beamt_innen jedoch keineswegs ab. Nordlöbtau wirkte wortwörtlich durch Polizeikräfte besetzt. Weit vor der ausgemachten Zeit positionierten sich die Einsatzzüge der Polizei um die übrig gebliebenen Feiernden, filmten und erzwangen eine vorzeitige Beendigung des musikalischen Ausklangs.

Ab 23 Uhr fand auf dem Wagenplatz in Pieschen eine Soli-Party statt, zu der nochmal über 300 Menschen erschienen. Zwei Soundsysteme, eine Vokü und die Wagenplatzaktivist_innen sorgten mit großartiger Deko, toller Musik und leckerem Essen für eine solidarisch gastliche Feieratmosphäre.

Vorbereitungen liefen nicht ohne Pannen und Kontroversen

Schon im April hatte es in Dresden eine Reihe von Auseinandersetzungen um das politische Konzept von Tanzdemonstrationen gegeben, was sich auch auf die Planungen der Politischen Tanzdemonstration „Liberté dans les rues et sur les toits“ auswirkte. Anlass war eine Nachttanzdemonstration der Linksjugend die von mehreren Seiten (u.a. von Anarchist_innen) scharf kritisiert (1) und schließlich von anderer Seite blockiert (2) wurde.

Der AK Freiraum im Libertären Netzwerk hatte im Jahr 2009 zwei Nachttanzdemonstrationen für hierarchiekritische Freiräume mit jeweils 600 und 1200 Teilnehmenden organisiert (3). Diese wurden in der Debatte um die Demonstration der Linksjugend mehrfach als vergleichendes Beispiel heran gezogen, um aufzuzeigen das Selbstbestimmung nur ohne Parteien oder andere hierarchische Strukturen geht und diese auch nicht nötig für die Organisation einer solchen Demo sind.

Zwei Monate vor der libertären Tanzdemonstration begannen die Vorbereitungen innerhalb des Demokollektivs u.a. in Form einer Konzeption und der Kontaktaufnahme zu verschiedensten Soundsystemen in und um Dresden. Das Selbstorganisation nicht immer pannenfrei abläuft, zeigt der Umstand, dass von elf Soundsystemen die Interesse signalisierten letztlich nur drei an der Demonstration teilnahmen.

Nach den Soundsystemen wurden die ersten Gruppen, Projekte und Kollektive (insgesamt weit über 20) in und um Dresden darum gebeten ihre Arbeit, ihre Einstellung zu und Definition von Selbstorganisation in einem Redebeitrag darzustellen und schon vorher einen Text als Diskussionsbeitrag für die Website der Veranstalter_innen zu verfassen. Als Hilfestellung oder Anregung wurden dabei acht gängige Phrasen gegen die Funktionalität von Selbstorganisation mitgesandt und vorgeschlagen, diese an Hand der eigenen Konzepte und Erfahrung zu widerlegen. Leider kam es aufgrund interner Kommunikationsschwierigkeiten teilweise recht kurzfristig zur Versendung der Anfragen. Manche Gruppen fanden auch trotz längere Anfragezeit nicht die Möglichkeit sich auf ein dahingehendes Statement zu einigen. Schließlich wurden im Vorfeld nur zwei ausführlichere Diskussionsbeiträge vom Umsonstladen Dresden-Neustadt und dem Allgemeinen Syndikat Dresden (FAU IAA) & (FdA IFA) veröffentlicht (4). In Zukunft sollte eine Anfragezeit von zwei Monaten eingeplant werden. An diesen Problemen litt auch das Konzept der Organisator_innen, ein möglichst breites, vielschichtiges Bild von Selbstorganisation aufzuzeigen und darüber schon im Vorfeld eine konstruktive Debatte anzustoßen.

Als nächstes wurden Forderungen ausgearbeitet, die mit der Demonstration erhoben werden sollten. Dabei ging es nicht um ein politisches Sofortprogramm sondern um eine Auswahl politischer Zielsetzungen, die langfristig durch die eigenen Konzepte und Projekte erreicht werden sollen. Gefordert wurde: 1. Die Unterstützung von selbstorganisierten Gruppen/ Freiräumen/ Kollektiven und Genossenschaften als Keimzellen einer neuen politischen Ordnung 2. Die Kollektivierung der Betriebe 3. Mitbestimmung in allen politischen Belangen statt Personenwahl 4. Ersetzen des Kapitalismus durch ein solidarisches, nachhaltiges Wirtschaftssystem 6. Abschaffung der Nationalstaaten und ihrer Repressionsorgane.

Auf die Veröffentlichung folgte eine Reihe von Kritik. Zum einen wurden problematische Wendungen thematisiert, z.B. das „ersetzen“ des Kapitalismus, die neue „politische Ordnung“, und das Verwenden des Wortes „Mitbestimmung“ anstatt von Selbstbestimmung zu sprechen.

Zeitgleich gab es verschiedene Positionen zum Umfang der Forderungen. Während u.a. aus dem Kreis Interessierter Absagen kamen, da nicht alle der Forderungen unterstützt werden könnten und solche speziellen politischen Positionen andere Menschen ausschließen, wurde von anderer Seite bemängelt, die formulierten Stichpunkte wären zu wenig spezifisch, ausführlich und dadurch unvermittelt.

In Internetdiskussion wurde auch mehrfach Unmut über die Forderung nach der Kollektivierung der Betriebe geäußert, ohne dass dies näher begründet wurde. Es kann daher nicht geklärt werden, ob hier nur ein falscher Begriff des Kollektivbetriebs vorhanden war oder an der Demonstration Interessierte sich damit tatsächlich für hierarchische Strukturen in Betrieben, eine Beibehaltung der Lohnverhältnisse und der privaten Produktionsmittel aussprechen wollten.

Völlig undurchdacht waren eine Reihe von Antisemitismusvorwürfen, die gegen das Demokollektiv im Speziellen und die anarchistische Bewegung im allgemeinen geführt wurden. Begründet wurden die Vorwürfe – wenn überhaupt – mit der antisemitischen Einstellung der frühen anarchistischen Theoretiker Proudhon und Bakunin. Sowohl eine längere Darstellung des Demokollektivs über die Theorie-Bezüge der anarchistischen Bewegung im deutschsprachigen Raum (5) als auch die klare Absage an Antisemitismus auf der Demonstration führten nicht zu einer differenzierteren Sichtweise der Kritiker_innen. Trotz völlig gegensätzlicher Sachlage (6) wurde immer wieder die Verleumdung wiederholt , die anarchistische Bewegung und vor allem die in Dresden sei antisemitisch ohne dieser Behauptung noch Erläuterungen folgen zu lassen. Dies macht deutlich, dass es den Kritiker_innen hier nicht um einen tatsächlichen Schutz vor Antisemitismus ging, sondern auf dem Rücken von Millionen Opfern antisemitischer Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung egozentrische Cliquenpolitik betrieben wird. Dies ist eine Verhöhnung der Opfer die entschieden abzulehnen ist.

Im Vorfeld der Demonstration gab es noch ein Treffen mit den Dresdner Neusten Nachrichten. Das Treffen und auch der darauf folgende Artikel waren erfreulicher Weise von Respekt, Professionalität und inhaltlichem Interesse geprägt. So schrieb die DNN erfreulich inhaltlich „Weniger Hierarchien, neue Antworten und einen „dritten Weg“ neben dem Ruf nach mehr Staat und dem nach mehr Markt, so umschreibt einer der Organisatoren die Forderungen, für die man auf die Straße gehe. Dazu gehören unter anderem die Kollektivierung aller Betriebe und die Abschaffung der Nationalstaaten.“

Kultur statt Kampfveranstaltung

Schon vor der Demo wurde viel darüber diskutiert ob eine Tanzdemonstration ein sinnvolles Medium für ernsthafte Forderungen jenseits der Freiraumthematik sein kann. Sicherlich ist festzustellen, dass während der Strecke die politische Aussage der Demonstration für Außenstehende unklar bleiben musste – zumindest für jene die nicht um die Bedeutung der schwarz-roten Fahnen wissen. Einzig die Redebeiträge an den Kundgebungsorten konnten nach außen wirken und bewegten zumindest einige Menschen sich spontan anzuschließen.

Eine Tanzdemonstration will und kann keine offensive, kämpferische Demonstration sein, da sie vor allem die Ausgelassenheit und Freude in den Mittelpunkt stellt. Dies wurde auch in mehreren Redebeiträgen thematisiert. Die Ambition der Veranstalter_innen war deshalb vor allem auch die inhaltliche Auseinandersetzung auf die Zeit vor und nach der Demonstration zu konzentrieren, sie einzurahmen. Hier gab es, wie oben bereits erwähnt, logistische und zeitliche Probleme, die beim nächsten mal behoben werden sollten. Gleichsam will und kann eine Tanzdemo aber auch eine kulturelle Alternative sein, die eben nicht zwischen politisch-inhaltlicher und hedonistischer Veranstaltung trennt. Die Inhalte, die verschiedenste Menschen in dieser Stadt teilen, können in eine Zelebrierung eingebunden werden. Das Modell der Demo löst sich nicht nur aus der oft vorhandenen Inhaltsleere politischer Tanzveranstaltungen sondern auch aus der räumlichen und milieuhaften Gebundenheit. Auch wenn die Demo im Vergleich zu den libertären Tanzdemos 2009 nur sehr bescheiden besucht war, so kamen doch Menschen aus unterschiedlichsten politischen Projekten, Zusammenhängen, Cliquen und WGs sowohl als Vorbereitende als auch als Teilnehmende zusammen und konnten durch Redebeiträge oder Begegnungen einen Einblick in andere selbstorganisierte Zusammenhänge der Stadt gewinnen.

Eine politische Bewegung die in die Gesellschaft wirken will, braucht auch gemeinsame kulturelle Erlebnisse die neben den politischen Kämpfen auch Platz für Freude und Kunst aller Arten bieten. Eine anarchistische Tanzdemo, bei der sich Akteur_innen selbstorganisierter Politik gegenseitig vorstellen können, sollte dabei eben so seinen selbstverständlichen Platz finden wie Freudenfeiern am 8. Mai oder beklemmende Gedenktage wie dem 9. November.

Wir freuen uns sehr über Zuschriften mit Verbesserungsvorschlägen, Eindrücken etc. an linetdd@riseup.net

Wir sagen Danke an: Die DJ_anes, Fahrer_innen, die beiden Kollektive die ihr Auto her gaben, das AZ Conni, die Goa-Punx, die Ordner_innen, die Gruppen, Projekte, Personen die Redebeiträge schrieben, unsere Anmelderin, die VoKü Casabunta, die Einlass- und Bardienste bei der Party, die Technic-Nerds, die Künstler_innen, die Demosanis, die Leute vom Wagenplatz, die Werk Stadtpiraten aus Pieschen, die Leute die in Löbtau ihre Buden mit Transpis geschmückt haben, den Designer_innen, den Leuten die den Webkram betreut haben und natürlich allen Teilnehmenden.

(1) Siehe https://www.libertaeres-netzwerk.info/libertaeres-netzwerk/news-archiv/news-detail/datum/2012/04/11/die-partei-diktiert-seid-frei/ und http://contrelagravitation.wordpress.com/2012/04/18/gegen-die-freiraume-in-euren-kopfen-reclaim-your-brain/

(2) http://www.addn.me/freiraeume/blockade-beendet-angemeldete-nachttanzdemo/ und http://www.dnn-online.de/dresden/web/regional/politik/detail/-/specific/Veranstalter-bewerten-Dresdner-Nachttanzdemo-trotz-Blockade-als-Erfolg-2729743837

(3) https://www.libertaeres-netzwerk.info/ik-dokumentation/freiraum-aktionen-2009-10/

(4) https://www.libertaeres-netzwerk.info/libertaeres-netzwerk/news-detail/datum/2012/06/01/vorbereitende-beitraege-zur-nachttanzdemo-vom-allgemeinen-syndikat-umsonstladen-und-hausprojekt-rm/

(5) : „Beide Theoretiker sind für den aktuellen Anarchismus (in Deutschland) eigentlich von keinerlei Belang. Proudhon ist zwar als erster Philosoph bekannt, der den Begriff Anarchie wieder positiv besetzte, Schriften und Vorträge werden ihm von der anarchistischen Bewegung in der Regel jedoch nur zur Auseinandersetzung mit seinem Antisemitismus, Rassismus und seiner Frauenfeindlichkeit gewidmet. Bakunin und damit die kollektivistische Strömung des Anarchismus spielt im deutschsprachigen Raum historisch wie aktuell nur eine geringe bis keine Rolle. Auch andere Strömungen des sogenannten „Marktanarchismus“ sind mir in Deutschland nicht bekannt...

...Genauso wie die kritische Theorie im Frankfurter Stil vor allem in Deutschland so starken Einfluss in die politische Meinungsbildung einer radikalen linken oder in die libertäre Strömung hat, so hat auch die anarchistische Theorie im deutschsprachigen Raum andere Schwerpunkte gehabt, als bspw. in Spanien wo der bakuninistische Kollektivismus tatsächlich eine größere Rolle spielte. In Deutschland dagegen wurde vor dem Nationalsozialismus vor allem die anarchokommunistische Linie weiter verfolgt. Dadurch, dass die frühe anarchistische Bewegung sich vor allem aus einer radikalisierten Abspaltung der SPD entwickelte (Die Jungen, später Unabhängige Sozialisten) und in enger inhaltlicher Auseinandersetzung mit Unionist_innen, Rätekommunist_innen und Linksmarxist_innen stand wurden eben auch vor allem Marx, sowie der französische Syndikalismus breit diskutiert. Später machten v.a. R. Rocker, O. Rühle und A. Souchy eigene Theorielinien dahingehend auf. Marktnahe Modelle wie sie z.B. teilweise von Landauer vertreten wurden stießen auf arge Zurückweisung, mit dem Verweis, dass Befreiung nun mal auch die Befreiung ökonomischer Leistungsprinzipien meint. Auch später griff die Diskussion in Deutschland wieder eher marxistische Flügel der anarchistischen Theorie auf, zu der der poststrukturalistische Diskurs und ein stärkerer Fokus auf allgemeine Leistungskritik kam. Das unterscheidet die hiesigen Debatten z.B. von der Entwicklung in den USA, in den es mittlerweile auch eine starke Strömung sogenannter "Anarchokapitalist_innen", im wesentlichen Radikal-Neoliberale gibt oder der Schweiz in der der Plattformismus stark vertreten ist.“

(6) Historisch war die anarchistische Bewegung nach Bakunin immer wieder eng verbunden mit der jüdischen Arbeiter_innenbewegung, die z.B. in Teilen der USA, Polens und Russlands über längere Zeit hauptsächliche Trägerin der anarchistischen Idee war. Im russischen Bürgerkrieg ging die anarchistische Bewegung weit konsequenter gegen antisemitische Tendenzen und Pogrome vor als dies die bewaffneten Verbände der Bolschewiki taten. Das anarchistische Autonomiegebiet (der Machnovitcha) wurde dahingehend nach Aussage vieler Zeitzeug_innen auch als Schutzraum für Jüdinnen und Juden angesehen, nachdem Verhandlungen über ein jüdisches Autonomiegebiet an der Krim mit den Bolschewiki gescheitert waren.

In Dresden und Umgebung leisten Mitglieder des Libertären Netzwerks seit Jahren einen nicht unerheblichen Beitrag zum radikalen Gedenken an die Shoa, z.B. im Rahmen von Gedenkveranstaltungen zum 27. Januar, 8. Mai und 9. November, Wanderungen der Schwarz-Roten Bergsteiger_innen bzw. Mitarbeit bei Veranstaltungen des AKuBiZ. Auch auf Rhetorik in antisemitischer Tradition (a lá Heuschreckenhysterie) sogenannter linker Organisationen wie dem DGB und das Problem des Sozialneids, ähnlich antisemitischen Denkmustern, wurde z.B. auf Veranstaltungen des AK Freiraum oder dem antikapitalistischen Block auf der „Wir sind mehr wert!“-Demo 2011 hingewiesen. Mit dem Antisemitismus Proudhons befasste sich 2010 während der Libertären Tage eine eigene Veranstaltung.

(7) http://www.dnn-online.de/dresden/web/regional/politik/detail/-/specific/Junge-Dresdner-tanzen-fuer-Selbstorganisation-und-ein-solidarisches-Wirtschaftssystem-1636023650

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Ergänzungen

Nazis zündeln der Staat sperrt ab!

paula 07.06.2012 - 16:03
Ein Redebeitrag Auf der Libertären Tanzdemonstration

Nutzung der Veranstaltungsräume des Hausprojektes Rm 16 in Dresden untersagt.
Das Haus auf der Robert-Matzke-Str.16 in Dresden wurde im Oktober 1999 besetzt und seit dem als linkes Wohn- und Kulturprojekt genutzt. Zunächst nur geduldet wurde später ein Mietvertrag ausgehandelt, der inzwischen seit 10 Jahren besteht.

 http://rm16.blogsport.de/2012/06/01/31-05-2012-was-geht-nicht-in-der-rm16/

 http://www.addn.me/freiraeume/nazis-zuendeln-der-staat-sperrt-ab/

 http://de.indymedia.org/2012/06/330728.shtml

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