Nazi-Anschlag auf jüdischen Friedhof

[regentied] 21.11.2011 18:16 Themen: Antifa
Am Sams­tag, dem 19. No­vem­ber um 3 Uhr mor­gens ver­üb­ten fünf mit Stum­hau­ben ver­mumm­te Nazis einen Farb­beu­tel­an­schlag auf den jü­di­schen Fried­hof an der De­de­stra­ße in Ol­den­burg-​Os­tern­burg. Meh­re­re Grä­ber und sechs Grab­stei­ne wur­den durch die Farb­beu­tel-​Wür­fe über die Fried­hofs­mau­er hin­weg mit wei­ßer Farbe be­schmiert.
Ein pri­vat mit Fahr­rad auf der De­de­stra­ße fah­ren­der Po­li­zist ent­deck­te die Täter in fla­gran­ti und ver­such­te sie zu stel­len. Als diese in die ge­gen­über­lie­gen­de Kamp­st­ra­ße flüch­te­ten, ver­folg­te er die Grup­pe und konn­te einen der Nazis auf einem Park­platz kurz­zei­tig fas­sen. Durch den Ein­satz von Pfef­fer­spray ge­lang ihm je­doch die Flucht, der Po­li­zist er­litt leich­te Ver­let­zun­gen. Die an­schlie­ßen­de Fahn­dung nach der Grup­pe, von der min­dest drei Per­so­nen mit Jeans und dunk­len Bom­ber­ja­cken be­klei­det ge­we­sen sein sol­len, blieb bis­her er­folg­los. Er­mit­telt wird nun wegen Stö­rung der To­ten­ru­he, Sach­be­schä­di­gung und ge­fähr­li­cher Kör­per­ver­let­zung. In einer ers­ten Re­ak­ti­on hat die Po­li­zei Strei­fen bei jü­di­schen Ob­jek­ten ver­stärkt.
Der po­li­zei­li­che Staats­schutz hat wohl die Er­mitt­lun­gen über­ge­nom­men, da – wie die Lokalzeitung NWZ schreibt – »ein po­li­ti­scher Hin­ter­grund nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kann«. Eine in­ter­es­san­te For­mu­lie­rung für einen of­fen­sicht­lich an­ti­se­mi­ti­schen An­schlag einer Na­zi-​Ban­de. Am Ver­schwei­gen, Ver­harm­lo­sen und Klein­re­den fa­schis­ti­scher Ak­ti­vi­tä­ten haben die Ent­hül­lun­gen über die rech­ten Ter­ror­an­schlä­ge und Morde bei der Ol­den­bur­ger Po­li­zei und der NWZ schein­bar nichts ge­än­dert. Die klei­ne Ol­den­bur­ger Na­zi­sze­ne hin­ge­gen fühlt sich wohl durch den Ein­zug der NPD in den Stadt­rat und die Ver­bre­chen der Na­zi­ter­ror­grup­pe NSU im Auf­wind und will nun auch »Taten statt Worte« spre­chen las­sen. An­ti­fa­schis­ti­sche Krei­se gehen davon aus, dass es sich bei den Tä­tern um Mit­glie­der und Sym­pa­thi­san­ten der »Ka­me­rad­schaft Ol­den­burg« han­delt, von denen meh­re­re in Os­tern­burg wohn­haft sind. Auf­ge­fal­len ist diese Na­zi­ban­de, zu der auch Funk­ti­ons­trä­ger der Ol­den­bur­ger NPD ge­hö­ren sol­len, bis­her vor­al­lem durch die Teil­nah­me an Auf­mär­schen wie z.B. im Au­gust in Bad Nenn­dorf, klei­ne­re Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit An­ti­fa­schis­tIn­nen und durch die Un­ter­stüt­zung des Kom­mu­nal­wahl­kamp­fes der NPD in Ol­den­burg.
Der jüngs­te An­schlag macht mehr als deut­lich, dass auch in Ol­den­burg Na­zi­ban­den exis­tie­ren, die – um es mit Wiglaf Dros­tes Wor­ten zu sagen – »das tun, was sie eben tun, wenn man sie nicht hin­dert: die be­dro­hen und nach Mög­lich­keit um­brin­gen, die nicht in ihre Zi­ga­ret­ten­schach­tel­welt pas­sen«. Jü­di­sche Men­schen sind wie ge­se­hen dabei auch noch nach ihrem Tod das Ziel des brau­nen Has­ses. Dass aus­ge­rech­net der jü­di­sche Fried­hof in Os­tern­burg, mit­ten im Her­zen des alten Ar­bei­te­rIn­nen­stadt­teils ge­schän­det wurde, ist dabei be­son­ders scho­ckie­rend. Diese 1814 er­öff­ne­te Be­gräb­nis­stät­te konn­te nichts zu­letzt durch den Wi­der­stand der Ar­bei­te­rIn­nen­be­we­gung wäh­rend des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus vor grö­ße­ren Be­schä­di­gun­gen be­wahrt wer­den. Mehr als ein­mal war die­ser Ort Aus­gangs­punkt für mi­li­tan­te An­grif­fe auf Auf­mär­sche und an­de­re Pro­vo­ka­tio­nen der NSDAP.
Vor nicht ein­mal zwei Wo­chen zogen rund 2000 Men­schen beim all­jähr­li­che Er­in­ne­rungs­gang durch die Stadt, um der jü­di­schen Opfer des deut­schen Fa­schis­mus in Ol­den­burg zu ge­den­ken und gaben dabei ein ein­drucks­vol­les State­ment gegen An­ti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus ab. Doch of­fen­sicht­lich be­ein­druck­te dies den Na­zi­mob wenig. Als erste Re­ak­ti­on auf den Farb­an­schlag mahn­te die Vor­sit­zen­de der jü­di­schen Ge­mein­de: »Ge­ra­de in der ak­tu­el­len Zeit müs­sen wir hell­wach sein«. Ja, wir müs­sen hell­wach sein und wir müs­sen auch die Er­in­ne­rung wach hal­ten, aber vor­al­lem müs­sen wir dem brau­nen Trei­ben ein Ende set­zen – so­wohl auf der Stra­ße, als auch im Stadt­rat. Und zwar mit all den Mit­teln, die dafür nötig sind. »Ver­ba­ler An­ti­fa­schis­mus ist Käse. Mi­li­tant soll er sein, vor allem aber: er­folg­reich. Wenn sich dabei her­aus­stel­len soll­te, daß er sich gegen 50, 60, 70, 80 oder 90 Pro­zent des deut­schen Volkes rich­tet, dann ist das eben so. Wo Nazis „demo­kratisch“ ge­wählt wer­den kön­nen, muß man sie nicht de­mo­kra­tisch be­kämp­fen«, stell­te Dros­te schon 1993 fest. Damit dürf­te er Recht be­hal­ten.
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Ergänzungen

eine erste Reaktion

nur der Anfang 22.11.2011 - 12:36
In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde ein Farbanschlag auf den Jüdischen Friedhof (Dedestraße, Ecke Dragonerstraße) verübt. Während die Polizei sagt, ein politischer Hintergrund könne nicht ausgeschlossen werden, sagen wir: ein Angriff auf eine jüdische Einrichtung ist immer eine politische Positionierung. Sie zeugt vom offensichtlichen Antisemitismus der Täter_innen.
Antisemitismus war und ist Element neonazistischer Denkmuster und wieder einmal wird klar, dass diese Denkmuster Bestandteil unserer Gesellschaft sind – auch in Oldenburg. Ein weiteres aktuelles Beispiel ist der Einzug der NPD in den Stadtrat.
Wir werden es nicht hinnehmen, dass Neonazis in Oldenburg weiterhin Fuß fassen! Deshalb kommt alle zum antifaschistischen Spaziergang:
Mittwoch, 23. November um 18 Uhr am Osternburger Markt.

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