Polizei räumt Easttek 2013

addn.me 22.07.2013 10:24 Themen: Blogwire Freiräume Kultur
Nicht nur bei Demonstrationen und am Rande von Fußballspielen kommt es derzeit immer wieder zum rechtswidrigen Einsatz der Polizei, sondern auch bei zahlreichen unkommerziellen Freiraumveranstaltungen. So gehören Räumungen bei von der Polizei als "illegal" bezeichneten Parties und Veranstaltungen in vielen Städten inzwischen zur traurigen Realität. Nun hat es mit dem Easttek 2013 auch eine kostenlose und damit für alle Menschen gleichermaßen offene Kulturveranstaltung getroffen. Bereits am 12. Juli räumte eine eigens für diesen Zwecke zur Verfügung gestellte Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei und Teile der Polizeidirektion Süd ein Gelände im Osten Brandenburgs. Bei der gewaltsamen Räumung wurden mehrere Menschen durch die teilweise vermummten Einsatzkräfte verletzt und bei insgesamt 70 Personen die Personalien festgestellt.
Bereits am Freitag dem 12. Juli sollte über mehrere Tage das alljährliche Easttek-Musikfestival in der Nähe von Goyatz am Südufer des Schwielochsees in Brandenburg stattfinden. Organisiert war das ganze als "Teknival", eine der Freetekno-Szene entlehnte Veranstaltungsform, bei welcher kein Eintritt erhoben wird, es keine Sponsoren gibt und Musik im oberen tanzbaren BPM-Bereich gespielt wird. Zu den unangemeldeten Treffen reisen oft mehrere hundert Menschen aus ganz Europa an, um gemeinsam unbeschwert und vor allem friedlich bei elektronischer Musik zu feiern. Festivals dieser Art finden in zahlreichen Ländern Europas statt und werden zum Teil von mehreren tausend Menschen besucht.

Doch es kam anders. Bereits kurz vor Veranstaltungsbeginn am Freitagabend kreiste ein Polizeihubschrauber über dem Gelände. Was folgte war ein nach Zeugenberichten martialischer Einsatz von vermummten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, die damit begannen, das Waldgebiet zu räumen und dabei vier Personen wegen angeblicher Widerstandshandlungen festnahmen. Währenddessen kam es jedoch auch zu Übergriffen durch die rund 120 Einsatzkräfte, die die Besucherinnen und Besucher mit Faustschlägen und Pfefferspray traktierten. Viele verängstigte Festivalbesucher wurden zur Personalienfeststellung von der Polizei gewaltsam durch den Wald zu den Einsatzwagen geschleift. Begründet wurde dieser sichtlich überzogene Einsatz im Polizeibericht mit der Verhinderung einer Brandgefahr, dem "widerrechtlichen Einfahren in den Wald" und der "Belästigung der natürlichen Umwelt".

Bei vielen Besucherinnen und Besuchern wurden Erinnerungen an das Czechtek 2005 wach, als die tschechische Polizei eine ähnliche Veranstaltung auf brutale Weise räumte und dabei mehr als 80 Menschen verletzte. Berichten zufolge zwang die Polizei auch alkoholisierte Personen dazu, das Waldstück mit ihrem Auto zu verlassen. Die von den Besucherinnen und Besuchern angesprochene Unfallgefahr wurde dabei scheinbar bewusst ignoriert. Ein folgenschwerer Unfall ereignete sich dann auch tatsächlich auf einem Ersatzgelände am Schwielochsee, als ein junger Mann von einem Pickup Truck überrollt wurde und sich erhebliche Verletzungen im Bein- und Beckenbereich zuzog.

Der Polizeieinsatz ist bezeichnend für zwei aktuelle Tendenzen. Zum einen sinkt die Schwelle für den Einsatz von Sondereinheiten der Polizei. Selbst bei unklarer Rechtslage oder nur dem Verdacht des Begehens von Ordnungswidrigkeiten werden die Behörden aktiv. Das hat zur Folge, dass der Raum, in dem sich Menschen ungestört bewegen können, immer mehr eingeengt wird. Andererseits bewirkt diese Form der Kriminalisierung alternativer Kulturformen eine zunehmende Kommerzialisierung des Kulturbetriebes. Das Beispiel aus Brandenburg vom vergangenen Wochenende zeigt, dass mit der Freeteknokultur nun auch eine der letzten verbliebenen Nischen behördlichem Druck ausgesetzt ist. Im gleichen Atemzug geraten auch explizit politisch ambitionierte Projekte und Veranstaltungen immer wieder in den Fokus von Ermittlungen und machen den Spielraum für Kultur abseits des gesellschaftlichen Mainstreams immer kleiner.
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Guter Artikel — Sebastian