Polizeigewalt gegen friedliche Demo

Kreuz Bürger 10.07.2013 14:27 Themen: Antirassismus Repression Soziale Kämpfe
Maul halten, weiterlaufen!
Rassistische Selektion, brutale Eskalation, zermürbende Schikane, unzweckdienliche Beschlagnahmung durch ethnisch reine BeamtenMANNschaft

[Diese Dienstaufsichtsbeschwerde liegt seit 10.7.2013, 15.30 Uhr der Berliner Polizei vor.]
Gestern, am 10. Juli 2013, gegen 18.20 Uhr fand eine friedliche Versammlung an der nordöstlichen Ecke des Heinrichplatzes in 10999 Kreuzberg statt. Ziel war es, den Verkehr auf der Oranienstraße aufzuhalten, um gegen die deutsche Immigrationspolitik zu demonstrieren.

Nachdem das knappe Dutzend Anwesender von eintreffenden Streifenpolizisten einmalig dazu aufgefordert worden war, hatten sie sich sofort auf den Gehweg gestellt und dort eine stille Mahnwache gehalten. Etwa eine fünfzehn Minuten lang hielten sie eine mit ihren bescheidenen Forderungen beschriftete Stoffbahn hoch und verteilten Handzettel. Die anwesenden Polizisten schauten zu und griffen nicht weiter ein.

Als ich gegen 18:45 Uhr eintraf, waren die Protestierenden dabei, friedlich aufzubrechen. Da die Oranienstraße die Hauptstraße der Nachbarschaft ist und die Protestierenden in der Nachbarschaft leben, sammelten sich auch solidarische Passant_innen auf dem Gehweg. Ich war erst fünf Minuten anwesend, saß noch auf meinem Fahrrad. Die Anwesenden verließen nach und nach den Platz, da stürmte ein älterer Polizist mit der Dienstnummer 55456 unvermittelt in die Gruppe und rief (in etwa): „So, Papiere bitte, wir nehmen jetzt alle Personalien auf. Hier findet eine unangemeldete Versammlung statt.“ Die „Versammlung“ war zu diesem Zeitpunkt schon vorbei.

Der Beamte rannte gezielt auf eine Gruppe schwarzer Teilnehmer zu, die er als Passausländer stereotypisierte. Da sie erst seit kurzem in Deutschland leben, konnten sie ihn auch nicht verstehen. Er reagierte mit zunehmend lautem Geschrei, wollte die gesamte „Versammlung“ festsetzen. Auf der anderen Seite der Gruppe lief ein älterer Mann israelischer Staatsbürgerschaft ruhig über die Straße; er hatte die Aufregung gar nicht bemerkt und war auf dem Heimweg. Ein jüngerer Beamter mit der Dienstnummer 58798 rannte im hinterher, stellte sich vor ihn, schubste ihn mitten auf der Straße.

Der israelische Staatsbürger, der ebenfalls kein Deutsch versteht, wich erschrocken vor dem brachialen Angriff zurück, rannte zurück zur Gruppe. Hier war inzwischen aufgrund der unangekündigten Attacke des Beamten 55456 und der ihm blind folgenden Kollegen Unruhe ausgebrochen. Der Beamte 55456 entriss einer älteren Frau mit Gewalt die beschriftete Stoffbahn, ohne vorher um Herausgabe zu bitten. Da sich die Demonstrant_innen bisher kooperativ gezeigt hatten, hatte der Beamte keinen Grund davon auszugehen, dass Gewalt nötig sei, folgte also persönlichen Dominanzgelüsten.

Nach dem Abstellen meines Fahrrads wollte ich zum Brennpunkt gehen, um die Lage zu entschärfen. Der kruppstählerne deutsche Beamte 55456 schrie und drängelte wütend gegen verwirrte Menschen, die ihn offensichtlich nicht verstanden. Seine kalten Gesichtszüge und sein militantes Gebahren wiesen ihn als gewohheitsmäßigen Choleriker aus. Ich wollte ihn beruhigen, doch sein treuer Kollege 58789, der sich soeben durch die tapfere Präventivgewalt gegen den gebrechlichen israelischen Staatsbürger hervorgetan hatte, stellte sich mir in den Weg und schubste mich mit voller Gewalt.

Anscheinend ging er aufgrund meiner „Rasse“ davon aus, ich wäre für freundliche Worte im Rahmen seiner sprachlichen Fähigkeiten nicht zugänglich. Daraufhin schrie ich ihn lautstark in seiner Vaterlandssprache an. Sobald er menschliche (d.h. „deutsche“) Eigenschaften an mir erkannte, ließ er instinktiv ab. Das rettete mich wohl vor weiterer Affektgewalt.

Erst das mutige Einschreiten eines Teilnehmers entschärfte die Lage. Er erklärte sich zum Alleinverantwortlichen und bat die Polizisten höflich, die Situation mit ihm zu klären, stellte sich den Beamt_innen alleine und in gutem Vertrauen. Gleichzeitig rief er die aufgeregten Demonstrant_innen zur Ruhe auf. Die Menschen gehorchten seinem Bitten sofort und viele verließen den Ort. So bewiesen sie erneut, dass der Aggression der Polizisten keinerlei reale Bedrohung entgegenstand.

Die verzweifelten Beamten – durchweg blond und deutsch – nahmen das Angebot an, vor allem, da sich inzwischen Menschen aus den umliegenden Cafés zum Konflikt stellten. Allein dass eine ethnisch reine, hetero-maskulin dominierte Streife ohne Englischkenntnisse durch den internationalen Bezirk Kreuzberg fährt ist eine verantwortungslose Inkaufnahme von Gewalt und eine deutliche Manifestation des strukturellen Rassismus im germanischen Nationalstaat.

Die Anwohner_innen drückten ihre Unterstützung mit unserer Aktion aus; dass die „Bürger_innen“ also durch uns gestört wurden ist unwahrscheinlich. Der Mob kam im Dienstwagen. Es mag sein, dass gärender Sexismus und Sozialneid unter den bildungsbenachteiligten deutschen Beamten auf die vorwiegend studierten, beidgeschlechtlichen und multinationalen Demonstrant_innen hier ein Ventil gefunden hat, sozusagen als „Volkszorn in Uniform.“

Vor dem Dienstwagen mit Kennzeichen B-7896 wurde der Mann, der die Situation friedlich gelöst hatte indem er sich freiwillig weiteren Repressalien ausgesetzt hatte, fast eine Stunde lang „zur Identitätsfeststellung“ festgehalten. Ein Schwarm Beamter umstellte ihn mit Rücken zum Auto, als wäre er ein fluchtbereiter Schwerverbrecher, sobald ein türkischer Pass aus seiner Tasche zum Vorschein kam. Der Trupp unter Führung der augenscheinlich Dienstältesten Beamten 23147 und 55456 gab dem „Veranstalter“ weder vor noch nach der Eskalation die Möglichkeit, die Veranstaltung vor Ort anzumelden. Weitere de-eskalative Alternativen wurden offen verheimlicht.

Eine kleine Gruppe aus Mitdemonstrant_innen und Passanten beobachtete die Lage schweigend, um den Mann soweit als möglich vor real drohender Polizeigewalt zu schützen. Diese couragierten Bürger_innen wurden von einem unterbeschäftigten Beamten sinngemäß als „Schaulustige“ diffamiert, der so ihr Recht die Beamten zu beaufsichtigen leugnete. Er hätte sein Handwerk wohl lieber unter Ausschluss der Öffentlichkeit verrichtet. Das ist als Gewaltandrohung zu werten, im Sinne von „warte bis wir uns in einer dunklen Gasse begegnen.“

Nachdem die Beamten den Mann eine Stunde lang vernommen und kontrolliert hatten, zogen sie sich zurück. Das Stoffbanner mit unseren demokratischen Forderungen beschlagnahmten sie so nonchalant wie sie an diesem Tag unser Recht auf Meinungsfreiheit in Geiselhaft genommen hatten. Der Knallhart-Cop mit der Nummer 55456 reagierte auf die respektvolle Verabschiedung des „Veranstalters“ mit den Worten: „Wir sehen uns vorm Verwaltungsgericht.“

Zurück blieb die Wut der Machtlosen, deren einziges Mittel gegenüber pflichtgeilen Stadtsoldaten die Kapitulation, die Aufgabe ihrer Rechte ist. Nach diesem Sommertag an einem Zehlendorfer Badessee erlosch mein restflackerndes Vertrauen in die Fähigkeit der deutschnationalen Sicherheitskräfte meine Rechte zu schützen. Diese Dienstaufsichtsbeschwerde wird blinde Augen und taube Ohren treffen, aber sie ist der einzige nicht-kriminalisierte „Behelf“ den uns dieser Staat gegen akute Gewalt bietet.

Bitte verstehen Sie, dass ich aufgrund der gestrigen Erfahrungen lieber anonym bleiben möchte. Diese Beschwerde wird veröffentlicht.
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Ergänzungen