Rostock:„Für Rassismus darf kein Platz sein!”

Komfort 15.06.2012 13:38 Themen: Antirassismus
Etwa 100 Menschen haben sich gestern vor dem Gesundheitsamt der Hansestadt Rostock zu einer Solidaritätskundgebung für Ali Reza Samadi versammelt, zu der die Kampagne “Stop it! Rassismus bekämpfen – Alle Lager abschaffen” aufgerufen hatte. In der Nacht vom 6. auf den 7. Juni war Ali Reza Samadi völlig überraschend nach Norwegen abgeschoben worden war, wo ihm nun eine Weiterabschiebung nach Afghanistan droht. Mehrere antirassistische und antifaschistische Initiativen sowie einige Vertreter_innen von Parteien hatten ebenfalls an der etwa eine Stunde dauernden Veranstaltung teilgenommen und ihrem Protest gegen den lebensgefährlichen Umgang mit Asylsuchenden Ausdruck verliehen.
Gegen 16 Uhr füllte sich der Platz vor dem alten Plattenbau-Gebäude aus DDR Zeiten indem heute das Gesundheitsamt untergebracht ist. Dort in der Paulstraße 22 sitzt auch Dr. Thomas Leyk, seines Zeichens Abteilungsleiter des Sozialpsychiatischen Dienstes. Indem er dem traumatisierten Flüchtling nache iner nur etwa 15 minütigen Visite Reisefähigkeit attestierte, hatte dieser wesentlichen, legitimatorischen Anteil an der Abschiebung Samadis. Denn während ein psychologisches Gutachten vor allem auf dessen Traumatisierung und akute Suizidgefahr hinwies und daher eine Abschiebung ausschloss, rechtfertigte ein Sprecher der Stadt die Abschiebung gegenüber der Ostseezeitung zynisch mit dem Verweis auf Betreuungsmöglichkeiten in Norwegen. Dass durch das übermächtigende Herausreißen aus den prekären Verhältnissen der Flüchtlingsunterkunft in der Satower Straße jedoch eine weitere Traumatisierung ausgelöst werden kann, verschwieg die Stadt und überging auch Leyk bewusst. Von einem “merkwürdigen” Vorgang, sprach auch der Leiter der Flüchtlingsunterkunft Steffen Vogt. In den Redebeiträgen der verschiedenen versammelten Initiativen wurde einerseits auf dieses skandalöse Geschehen aufmerksam gemacht, zum anderen wurde allerdings auch der größere Zusammenhang von Rassismus in der Gesellschaft hergestellt.

So thematisierte die “Stop it!” Kampagne in einem etwas weiteren Fokus die Abschiebepraxis der Behörden in Mecklenburg Vopommern. Denn nicht zum ersten Mal wurden Flüchtlinge in einer Nacht- und Nebelaktion für reisefähig erklärt und festgenommen, um sie zur Abschiebung “vorzubereiten”. Im Falle Samadis kam jeder Protest zu spät. Die Kampagne betonte allerdings auch dass die Abschiebepraxis der lokalen Behörden in einem Zusammenhang mit der europäischen Politik der Abschottung der EU-Außengrenzen und ihrer Flankierung mit rassistischer Hetze steht.

Der Redebeitrag der Initiative Medinetz e.V. zeigte auf, dass sich der Abteilungsleiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes Dr. Thomas Leyk zum willfährigen Vollstrecker dieses institutionalisierten Rassismus gemacht hat. Der Verein, dessen Arbeit u.a. in der Hilfeleistung für Illegalisierte besteht, hatte auch Ali Reza Samadi unterstützt. Aus der Arbeit mit dem 26 Jährigen war bekannt, dass der schwer traumatisierte Mann akut suizidgefährdet ist. Dies war auch den Behörden bekannt. Dennoch entschied Dr. Leyck dass Samadi wieder in das Land zurückgeschickt werden soll, aus dem er aus Angst um sein Leben geflohen war. Der Sprecher des Medinetz sprach in den Fachausdrücken von Mediziner_innen daher von einem „abwendbar gefährlichen Verlauf” der Geschichte des Füchtlings Samadi in den Händen der Staatsgewalt der BRD. Durch die lediglich 15 Minuten dauernde „Untersuchung” habe Leyck als Arzt grob fahrlässig gehandelt und gegen seinen Amtseid verstoßen. Er habe mit diesem Vorgehen nun als einer der berüchtigten „Fit-To-Fly”-Ärzte zu gelten, die unbesehen alle Menschen für gesund erklären, damit die potentiell tödliche Abschiebemaschinerie ungestört laufen kann. Gegen Ende der Redebeiträge wurde erneut der Bogen zum Rassismus in der Gesellschaft und in den Institutionen gezogen.

An diesem Punkt knüpfte ein Redebeitrag verschiedener antifaschistischer Gruppen aus Rostock an, der heraustellte, dass Rassismus die vereinende Klammer allen rechten Denkens und Handelns ist, das vom Sarrazin-trunkenen Stammtischgröhler über die bürokratischen Schreibtischtäter_innen in den Institutionen zum gemeinen Hakenkreuzschmierer und pogromlustigen Schläger_innen der Neonazis reicht und in seiner ganzen Breite weder Rand noch Mitte kennt. Gegen die Ideologien vermeintlicher Fremdheit und Ungleichwertigkeit in all ihren Formen muss, so wurde einmal mehr betont, entschieden vorgegangen werden, da aus ihnen mit logischer Konsequenz am Ende immer auch rassistische Gewalt folgt. Gegen diese so das Fazit muss immer und überall mit allen nötigen Mitteln vorgegangen werden.
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Ergänzungen

Sachbeschädigungen Rostocker Gesundheitsamt

. 15.06.2012 - 16:14
Neun Fensterscheiben wurden am Gesundheitsamt eingeworfen – hier fand am Donnerstag eine Demonstration gegen die Abschiebung von Ali Reza Samadi statt

Feuer an der Ausländerbehörde

(muss ausgefüllt werden) 16.06.2012 - 12:14
Auch bei der Ausländerbehörde gab es, nach Presseberichten eine Aktion bei der ein Zusammenhang unterstellt wird.

 http://www.ostsee-zeitung.de/nachrichten/brennpunkt/index_artikel_komplett.phtml?param=news&id=3473536

weitere Presseschau zu den Sachbeschädigungen

zur info 18.06.2012 - 10:40

Norddeutsche Neueste Nachrichten (17.06.2012): "Anschlag auf Rostocker Ausländerbehörde"

 http://www.nnn.de/nachrichten/home/top-thema/article/111/anschlag-auf-rostocker-auslaenderbehoerde.html


Ostsee-Zeitung vom 18.06.2012: "Landeskriminalamt ermittelt wegen Anschlägen"

 http://www.ostsee-zeitung.de/rostock/index_artikel_komplett.phtml?SID=841bb92137d46d1d25f2daf86f09ed9a&param=news&id=3474442

NDR 1 Radio MV vom 18.06.2012: "Ausländeramt bleibt nach Anschlag geschlossen"

 http://www.ndr.de/regional/mecklenburg-vorpommern/rostock585.html

Nordkurier vom18.06.2012: "LKA übernimmt Ermittlungen"
 http://www.nordkurier.de/cmlink/nordkurier/nachrichten/mv/lka-ubernimmt-ermittlungen-1.445430