Sachsen fahndet künftig automatisch nach Nazimusik

addn.me 10.07.2013 11:30 Themen: Antifa Blogwire
Bei der Innenministerkonferenz (IMK) treffen sich seit 1954 in regelmäßigen Abständen die Innenminister und Innensenatoren der Länder, um über aktuelle Themen zu beraten und gemeinsame Standpunkte zu formulieren. Obwohl die Konferenz über keine Entscheidungsbefugnisse verfügt, tritt sie in der medialen Öffentlichkeit häufig als Stichwortgeber für neue Gesetzesverschärfungen und eine Ausweitung staatlicher Überwachungsmöglichkeiten auf. Bei der heute beginnenden dreitägigen Zusammenkunft in Niedersachsen will Sachsens zuständiger Innenminister Markus Ulbig (CDU) seinen Kollegen eine neu entwickelte Software vorstellen, mit der in Zukunft leichter nach rechter Musik gefahndet werden kann.
Ulbig, der sich in den letzten Wochen verstärkt für einen Ausbau von Videoüberwachung in deutschen Innenstädten eingesetzt hatte, sieht in der zunächst für die sächsische Polizei entwickelten Software einen Beitrag, um künftig auf CDs und im Internet indizierte Musik schneller erkennen zu können. Sein Ziel ist eine stärke polizeiliche Zusammenarbeit in Fragen elektronischer Software auch über Sachsens Landesgrenzen hinaus. Das Bundesland gilt nach wie vor als Hochburg der rechten Szene, so konnte sich nicht nur der "Nationalsozialistische Untergrund" mehr als zehn Jahre unter den wachsamen Augen sächsischer Behörden ungestört durch die Republik morden, während sich im gleichen Atemzug sächsische Nazis als V-Leute von Geheimdiensten für die Produktion und den Vertrieb eben jener Musik anwerben ließen, die zumindest indirekt das Treiben musikalisch begleitete.

Obwohl Ulbig gegenüber der Chemnitzer Freien Presse betonte, die Software für die Suche nach "rechtsextremer Musik" nutzen zu wollen, zeigt eine Beispiel aus Baden-Württemberg zu Beginn dieses Jahres, dass in Zukunft damit längst nicht nur Nazimusik zum Ziel sächsischen Ermittlungseifers werden könnte. Erst im Februar hatten Beamtinnen und Beamte auf Anweisung des sächsischen Staatsschutzes die Wohnungen von Mitgliedern der 1978 gegründeten Punkrockband "Normahl" durchsucht. Die sächsischen Ermittler waren bei ihrer Suche nach rechter Musik auf ein 1982 veröffentlichtes Lied der Band gestoßen und hatten bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen "Gewaltdarstellung" angestrengt. Knapp einen Monat später hatte jedoch das Stuttgarter Landgericht einer Beschwerde gegen die Durchsuchungen stattgegeben und diese für rechtswidrig erklärt worden.

Den Vorsitz über die heute beginnende Innenministerkonferenz hat in diesem Jahr der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD), nachdem die CDU und damit auch dessen Amtsvorgänger Uwe Schünemann (CDU) bei den Landtagswahlen in Niedersachsen deutliche Stimmenverluste hinnehmen musste und nicht mehr an der Regierung beteiligt ist. Bei der heute in Hannover begonnenen Tagung soll unter anderem über Pläne für eine niedrigere Promillegrenze für Radfahrerinnen und Radfahrer sowie über eine von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vorgeschlagene schnellere Ausweisung so gennanter "Hassprediger" diskutiert werden. Außerdem soll nach den Vorstellungen des Ministers über einheitliche Standards im Umgang mit V-Leuten diskutiert werden.
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Ergänzungen

Pirna warnt vor Nazi-Schulungszentrum

säz 11.07.2013 - 19:54
Das Haus in Copitz soll einem Rechtsextremen aus Norwegen gehören. Doch gegen die Pläne es gibt Widerstand.

Es sind nur zwei Zeilen auf Seite 109 des aktuellen sächsischen Verfassungsschutzberichts: „In Pirna wurde der NPD von einer Person ein Gebäude zur Verfügung gestellt. Nach Ausbauarbeiten wollen es die Rechtsextremisten im Jahr 2013 für Veranstaltungen nutzen.“

Dieses Gebäude befindet sich nach SZ-Informationen auf der Hauptstraße in Pirna-Copitz, also im nördlichen Teil der Stadt, ganz in der Nähe einer Mittelschule und deren Bushaltestelle. Eigentümer soll Eirik Ragnar S. aus Norwegen sein. Er ist nach übereinstimmenden Szeneberichten einschlägig als europaweit agierender extrem rechtsgerichteter Akteur bekannt, mit Verbindung zum militanten Milieu. Die NPD selbst will die Aussagen des Verfassungsschutzberichts über geplante Veranstaltungen nicht kommentieren. „Ich kann dazu nichts sagen. Das ist in der Schwebe“, sagte Kreisgeschäftsführer Hartmut Gliemann.

Laut Ausweisung auf dem lokalen Bauschild heißt der Bauleiter vor Ort MarcusG. Auch er soll eine rechtsextreme Szenegröße sein. So soll der aus Halle/Saale stammende G. einen entsprechenden Online-Shop betreiben. Er wird zudem mit der Ordnungsdienstorganisation „Selbstschutz Deutschland“ in Verbindung gebracht, einer Nachfolgeorganisation vom „Selbstschutz Sachsen-Anhalt“, kurz „SS-SA“.

In Pirna rechnet man damit, dass das Gebäude als Schulungszentrum für extrem rechtes Gedankengut verwendet wird. Veranstaltungen im Sinne von Konzerten oder öffentlichen Versammlungen seien dagegen nicht möglich, da die Nutzung als Bürogebäude festgelegt sei, heißt es aus dem Rathaus. Angst machen lassen will man sich jedenfalls nicht. Pirnas Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke (parteilos) hat bereits mit Bürgern, Händlern und Verantwortlichen aus der Nachbarschaft des Grundstücks gesprochen, unter anderem auch mit der Leiterin der nahen Schule. Als Pirnaer Oberbürgermeister spreche er sich klar gegen jede Form von Rechtsextremismus aus. „Aktivitäten von Extremisten in unserer Stadt werden wir nicht dulden“, so Hanke. „Gemeinsam mit den Partnern in unserem Netzwerk und den demokratischen Kräften in unserer Stadt stehen wir hinter den Copitzern.“

Er stößt damit auf offene Ohren. „Wir legen keinen Wert auf eine Beziehung zu rechtsradikalen Vereinigungen und wir wollen mit diesen auch kein Geld verdienen“, unterstreicht etwa Joachim Krieg, Regionaldirektor der Ostsächsischen Sparkasse Dresden. „Wir selbst haben eine Filiale in Pirna-Copitz und legen keinen Wert auf derartige Nachbarn.“ Aus Pirna sollen keine falschen Signale an Unternehmen und Touristen gesendet werden. Nach der Elbeflut habe man so viel Unterstützung und Hilfe aus ganz Deutschland erfahren, damit habe man auch die Pflicht, zu beweisen, dass es richtig war. „Wir werden in unserer Stadt auch weiterhin Rückgrat zeigen“, sagt Joachim Krieg.

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